KINO / Bis Dienstag laufen
500 Filme beim Stuttgarter Trickfilmfest
Minimalismus, Opulenz und Träume
Das Eröffnungsprogramm überzeugt nicht všllig - Festivalflair auf
dem Schlossplatz
Erstmals präsentiert
sich das Trickfilmfestival im jährlichen Rhythmus, ohne jedoch an Qualität
eingebüßt zu haben - auch wenn so mancher Film verstörend wirkt.
BERND HAASE STUTTGART
Von "Kulleraugen-Alarm"
war im Vorfeld mal wieder die Rede, als es um das 14. Internationale Trickfilm-
Festival ging. So ganz gern werden die Macher, der künstlerische Leiter
Ulrich Wegenast und der kaufmännische GeschŠftsführer Dittmar Lumpp,
das nicht gehört haben, versuchen sie doch den künstlerischen Trickfilm
aus der Kinderecke zu befreien. Schließlich geht es hier meist auch ums
Suchen und Finden neuer künstlerischer Ausdrucksformen.
Das kann amüsant sein, aber ebenso verstörend, wie gerade das Eröffnungsprogramm
gezeigt hat. Da gab es von dem Russen Dmitri Geller eine Zeichentrick-Hommage
an Luis Bunuel zu sehen. Der Franzose Vladimir Mavounia-Kouka steuerte eine
surreale Umsetzung von Boris Vians Kurzgeschichte "Der Werwolf" bei. Und aus
Estland kam die Puppenanimation "The Pearlman", eine Parabel über den Zusammenprall
zweier Kulturen. Allesamt ambitionierte Werke mit originärer Bildsprache,
die sich aber irgendwo in den Tiefen ihrer Handlung verstricken, bedeutungsschwanger
wirken und sich dem emotionalen Zugang verwehren.
Dagegen haben die Ludwigsburger Filmstudenten Tom Weber, Jan Bitzer und Ilija
Brunck in ihrer 3D-Animation "456NM" ganz auf eine Aussage verzichtet. Zwei
Techno-Schnecken werden beim Kopulieren von einem Vogel verspeist. Es ist eine
kurze Szene aus einer realen Naturdokumention, die die Filmemacher in kühles
Industrie-Design mit sphŠrischen KlŠngen verfremdet haben. Manchmal siegt Optik
über Inhalt, nicht immer zum Nachteil des Werkes.
Dass Reduktion eine Erfolgsformel sein kann, zeigt der Holländer Martin Putto mit "Asef (Sorry)", dem stärksten Beitrag der Eröffnung. Es handelt von einem Telefongespräch zwischen einem Araber und einem holländischen Paar, das Sprachkurse für Ausländer anbietet. Das Telefonat endet in babylonischem Sprachgewirr, in dem Vorurteile und Ängste zum Ausdruck kommen. Dargestellt mit der simplen Optik eines Oszillators, der die Schwingungskurven des Gespräches mit typographischen Mustern aufzeichnet. Dieser Dreiminüter ist amüsant, verstörend und entlarvend zugleich, großes Kino mit minimalistischen Mitteln.
Während sich drinnen
im Gloria-Kino das Eröffnungspublikum manch Unverdauliches zu Gemüte
führte, herrschte draußen auf dem Schlossplatz Festival-Stimmung.
Das vergrößerte, kostenlose Open-Air-Kino profitierte nicht nur vom
Wetter, sondern auch von seiner Filmauswahl, die freilich auch als Lockmittel
eingesetzt wird.
Eine der schönsten Arbeiten wird am Montag und Dienstag zu sehen sein.
"Moya Lyubov - Meine Liebe" des Russen Alexandre Petrov ist ein impressionistisches
Gemälde über die erste Liebe. Ein 16-Jähriger wandelt darin zwischen
Phantasie, Realität und zwei Frauen, gemalt in opulenten Bildern. Ein Traum.
Die Faszination dieses Festivals lässt sich in einem simplen Satz ausdrücken.
"Es ist toll, dass im Trickfilm alles geht, was im wirklichen Leben nicht geht."
Das hat Corinna Herter gesagt. Die ist elf Jahre alt und Mitglied der Kinderjury,
die über den Preis für den besten Kindertrickfilm entscheidet, der
seit jeher fester Bestandteil des Festivals ist - Kulleraugen hin oder her.
INFO
14. Internationales Trickfilm-Festival, bis 1. Mai Gloria- und Metropol-Kinos,
Stuttgart. Internet: http://www.itfs.de
Erscheinungsdatum: Samstag 28.04.2007